Potsdam. Kein geringerer als der britische Stararchitekt David Chipperfield wird die Umstrukturierung des Geländes um das Alexanderhaus in Groß Glienicke planerisch begleiten. Am Dienstag stellten zwei Mitarbeiter seines Berliner Büros einen ersten Entwurf für einen Masterplan den Mitgliedern des Vereins Alexander Haus e.V. um Thomas Harding und Moritz Gröning sowie Kulturstaatssekretärin Ulrike Gutheil und Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner vor.
Das 90 Jahre alte Holzhaus, das nur wenige Meter vom Glienicker See entfernt auf einem langgestreckten Grundstück steht, wurde als einer der ersten Sommer-Landsitze für den Berliner Arzt Alfred Alexander errichtet, der hier mit seiner Familie viele glückliche Wochenenden verbrachte, bis das NS-Regime das Leben der Familie in Deutschland unmöglich machte und das Haus samt Inventar an den Nazi-treuen Musiker Will Meisel fiel. 1937 wanderte Alfred Alexander mit seiner Frau und seinen vier Kindern nach England aus. Die Erinnerung an die Zeit am Glienicker See blieb jedoch wach in der Familie. Als Tochter Elsie nach mehr als 50 Jahren mit Kindern und Enkeln das erste Mal wieder in Groß Glienicke war, stand fest, dass das damals noch bewohnte Haus erhalten werden musste.
Bis 2003 war das Holzhaus von unterschiedlichen Familien bewohnt und umgebaut worden. Der Blick auf den See, in dem Alexanders Kinder einst badeten und Wasserski liefen, blieb den meisten Bewohnern über Jahre versperrt, denn direkt oberhalb des Ufers verlief die sogenannte Hinterlandmauer aus Betonplatten.
Die wechselvolle Geschichte des Hauses und der fünf Familien, die es bewohnt haben, hat Alexander-Urenkel Thomas Harding in seinem 2016 auf Deutsch erschienen Buch "Sommerhaus am See" festgehalten. Die Recherchen sollen nun auch in die Dokumentation einfließen, die der Groß Glienicker Verein in dem Haus realisieren will, wenn es saniert ist.
Gute Bausubstanz trotz langen Leerstands
Viele freiwillige Arbeitsstunden sind bereits bei diversen Clean-Up Days zusammengekommen, um Grundstück und Haus von Ballast und Wildwuchs zu befreien. Die Holzstruktur des Hauses wurde entkernt und Anbauten entfernt. Trotz des langen Leerstands sei die Bausubstanz bis auf Ameisenfraß, durch den ein Fußboden komplett zerstört wurde, in vergleichsweise gutem Zustand, erklärte Vereinsgründer Moritz Gröning, der selbst das Haus Abraham an der Groß Glienicker Seepromenade restauriert hat. Ihn hatte Thomas Harding vor einigen Jahren für einen Austausch über die Groß Glienicker Geschichte besucht - und mit ihm gemeinsam beschlossen den Verein zu gründen und den Denkmalschutz für das Haus seiner Urgroßeltern voranzutreiben.
Weder "Exponat" noch Mahnung sollen Haus und Grundstück nach der Restaurierung sein, sondern ein Zentrum für interkulturelle und interreligiöse Begegnung und Versöhnung. Gemeinsam mit dem Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (Eles) zur Förderung jüdischer Studenten und dem Avicenna Studienwerk für muslimische Begabtenförderung soll hier ein Forschungszentrum mit 60 Plätzen entstehen. Gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen sei gerade unter diesen beiden Religionen, die sich oft näher seien als Christen- und Judentum, in der heutigen Zeit wichtig, erklärte Eles-Geschäftsführer Jo Frank. Er hofft, für sein Studienwerk hier einen festen Ankerpunkt zu finden. Dafür sollen ein eingeschossiges Wohngebäude und ein zweigeschossiges Seminarhaus auf dem oberen Teil des Grundstücks entstehen. Erste Planungen haben Martin Reichert und seine Mitarbeiter vom Berliner Büro David Chipperfield Architects bereits erarbeitet, und zwar pro bono, also ohne Kosten für den Verein. Ein Bebauungsplan muss noch erstellt werden.
Saniert und errichtet werden die Gebäude mithilfe von Fördergeldern des Bundes und des Landes sowie privaten Spendengeldern, die Thomas Harding zumeist von britischen Stiftungen eingeworben hat. Weitere Fundraising-Aktionen, wie beispielsweise ein Konzert auf dem Gelände, sind in Planung. Die Stadt Potsdam, die als Rechtsnachfolgerin seit der Eingemeindung von Groß Glienicke im Jahr 2003 Eigentümerin des rund 4.000 Quadratmeter großen Grundstücks ist, hat auf einen vermutlich recht lukrativen Verkauf verzichtet und Ende März mit dem Alexander Haus Verein einen Nutzungsvertrag für 30 Jahre unterzeichnet. Das Haus könnte bis Ende des Jahres restauriert und in den Zustand von 1936 zurückversetzt sein, als es der "Soul Place", der Seelenort von Thomas Hardings Großmutter Elsie war, in deren Gedenken er das Vorhaben voran treiben will. sg